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Finanzminister: „Wir stehen hinter Ihnen“

20.06.2023

Parlamentarischer Abend der Volksbanken und Raiffeisenbanken aus Weser-Ems: Finanzminister Gerald Heere, Landtagsvizepräsident Jens Nacke und Staatssekretär Frank Doods würdigen die Bedeutung der Genossenschaftsbanken für Niedersachsen. Arbeitsgemeinschaft kritisiert Pläne zur Vergemeinschaftung der Institutssicherungssysteme und zum digitalen Euro.

 © Tim-Simon Herrmannsen

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AGVR-Vorstandsvorsitzender Frank Ostertag

Hannover – Frank Ostertag hat Bälle verteilt. Besser gesagt Gesprächsbälle: Digitaler Euro, Datenschutz, Einlagensicherungssystem, Stärkung der Kreditfinanzierung des Mittelstands und Geldausgabeautomaten-Überfälle. Diese Themen, alle mit einer gewissen Brisanz, brachte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems (AGVR) beim parlamentarischen Abend in Hannover Mitte Juni charmant und konstruktiv ins Spiel. Die Politik in der Landeshauptstadt hat diese Bälle aufgegriffen und sich durchaus deutlich pro Genossenschaftsbanken positioniert. „Wir stehen hinter Ihnen“, sagte der niedersächsischen Finanzminister Gerald Heere. Dies bezog er speziell auf den Schutz des genossenschaftlichen Institutssicherungssystem, das nach EU-Plänen im Krisenfall eingesammelt werden könnte. Für kleinere und mittelgroße Banken müssten Ausnahmen geschaffen werden, so der Minister.

Politik und Banken müssen gemeinsame Lösungen finden

Aber auch hinsichtlich der Sicherung von Geldausgabeautomaten betonte der Minister, dass die Banken natürlich in der Pflicht seien, aber es könne nur gemeinsame Lösungen von Staat und Kreditwirtschaft geben. Selbstkritisch müsse die Politik sich eingestehen, in der Vergangenheit nicht immer optimal vorgegangen zu sein. Die vor dem Hintergrund der Sprengungen möglichen GAA-Schließungen „sind natürlich ihre unternehmerischen Entscheidungen und ich gehe davon aus, dass sie im Fall der Fälle wohlüberlegt sind“. Jedoch baut Gerald Heere darauf, dass die Volksbanken und Raiffeisenbanken in der Fläche als Finanzdienstleister präsent bleiben. „Das Land braucht Sie für den wirtschaftlichen Erfolg“, so der Finanzminister. Die Herausforderungen bei der Transformation der Wirtschaft seien groß und insbesondere der Mittelstand brauche leistungsfähige Genossenschaftsbanken, die die notwendigen Investitionen mittragen. Ansonsten werde die Digitalisierung, die Energiewende oder mehr Nachhaltigkeit nicht gelingen und auch der Strukturwandel in ländlichen Räumen könne ohne Innovationen und ohne privates Geld nicht gemeistert werden.     

Krisensicher, verlässliche und wichtiger Partner

Krisensicher, verlässlich und wichtige Partner der Menschen und der mittelständischen Wirtschaft vor Ort: Die Redner aus Politik und Wirtschaft auf dem Parlamentarischen Abend der Arbeitsgemeinschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems (AGVR) waren sich über die Bedeutung der Genossenschaftsbanken einig. „Bank, das sind für uns immer noch persönliche Geschäfte mit den Menschen und Firmen aus unserem Umfeld. Wir geben jeden Tag ein klares Bekenntnis zur Region ab“, sagte Frank Ostertag als AGVR-Vorstandsvorsitzender und als Vorstandsmitglied der VR Bank Oldenburger Land eG. Neben dem Finanzminister Gerald Heere würdigten auch der Staatssekretär Frank Doods, Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, die Bedeutung der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Land ebenso wie der aus dem Ammerland kommende Landtagsvizepräsident Jens Nacke.

Kraft aus der Regionalität schöpfen

Frank Doods vertrat den niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies, der krankheitsbedingt kurzfristig absagen musste. Er betonte, dass es „den Volksbanken und Raiffeisenbanken gelingt, Geld und Wertschöpfung in der Region zu halten“: „Genossenschaftsbanken sind vital und sie schöpfen Kraft aus der Regionalität.“ Deshalb gelte es, dieses System zu erhalten. Damit bezog er sich auch auf das genossenschaftliche Institutssicherungssystem, dass nicht angetastet werden dürfe. Landtagsvizepräsident Nacke sagte, dass das genossenschaftliche Modell der Hilfe zur Selbsthilfe den ländlichen Raum „stark gemacht“ habe und die genossenschaftlichen Unternehmen und Banken ein wichtiger Teil des Lebens seien.    

Keine staatlichen Hilfen benötigt

In den herausfordernden vergangenen Jahren hätten die genossenschaftlichen Kreditinstitute ihre Leistungsfähigkeit einmal mehr eindrucksvoll gezeigt. „Wir haben noch nie Staatshilfen oder Rettungsschirme benötigt. Wir als genossenschaftliche FinanzGruppe haben die Herausforderung stets aus eigener Kraft bewältigt“, sagte Frank Ostertag. Dies spiegele sich in der politischen Debatte aber nicht in Gänze wider. Mit Sorge betrachtet er die Pläne zum digitalen Euro der Europäischen Zentralbank. Diese hätten das Potenzial, eine funktionierende Bankwirtschaft durcheinanderzuwirbeln. Zudem warnte er davor, das seit vielen Jahren funktionierende Einlagensicherungssystem der Volksbanken und Raiffeisenbanken „durch die Hintertür“ zu vergemeinschaften. Dies ließen neueste Gesetzespakete der Europäischen Union (EU) befürchten.

EU-Pläne gefährden Finanzstabilität

Der Verbandsdirektor des Genossenschaftsverbandes Weser-Ems (Oldenburg), Axel Schwengels, knüpfte an diese Kritik an und erläuterte eingehend die Gefahren des von der EU im April vorgelegten Gesetzespakets zum Krisenmanagement von Banken und der Einlagensicherung (CDMI-Review). Damit würden auch mittelgroße und kleinere Banken im Krisenfall unter die Regie der europäischen Abwicklungsbehörde gestellt. Diese könne damit auch über deren nationalen Einlagensicherungssysteme entscheiden. „Die geplante Novelle lässt eine faktische Verstaatlichung des Krisenmanagements für Banken erwarten. Sie erzeugt falsche Anreize. Sie hat das Potenzial, das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger in unsere Einlagensicherungssysteme massiv zu schädigen“, warnte der Verbandsdirektor. In seiner jetzigen Form sei der Gesetzentwurf eine Gefahr für die Finanzstabilität. Eine Vergemeinschaftung der nationalen Sicherungssysteme dürfe es nicht geben.

Mittelstandstand braucht Kreditfinanzierung

Darüber hinaus betonten Frank Ostertag und Axel Schwengels die Bedeutung der Kreditfinanzierung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU). „Unsere kleinen und mittelständischen Betriebe können sich nicht über Börsengänge und Kapitalmärkte Geld beschaffen, sondern brauchen leistungsfähige Banken vor Ort“, sagte Axel Schwengels. Er warnte vor diesbezüglichen Gedankenspielen, die im Zusammenhang mit der angestrebten EU-Kapitalmarktunion zu hören und zu lesen seien. „Die Politik darf die kreditbasierte Mittelstandsfinanzierung nicht schwächen, sondern muss diese stärken“, forderte der Verbandsdirektor.

Lob für Landespolitik

Für die Landespolitik hatte Axel Schwengels lobende Worte im Gepäck. Die verlängerte Unterstützung der Gründungsberatung für Sozialgenossenschaften durch das Land sowie Beteiligung an gemeinsamen, mittelstandsorientierten Förderprogrammen und Wettbewerben in Niedersachsen habe ihn „außerordentlich gefreut“. Gleichzeitig betonte der Verbandsdirektor, dass ein Umdenken nötig sei, damit Energiewende, Klimaschutz und Digitalisierung gelingen könnten und die Ernährungssicherheit gewährleistet bleibe. Axel Schwengels forderte: mehr Tempo und mehr Bürgerbeteiligung durch Energiegenossenschaften beim Ausbau regenerativer Energien, mehr heimische Nahrungsmittelproduktion, die auch durch einen starken genossenschaftlichen Landhandel ermöglicht wird, und mehr Anreize für private Investitionen für Zukunftsinvestitionen schaffen. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken würden diesen Weg intensiv begleiten. Die Politik sei gefordert, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, sagte Schwengels und betonte: „Da geht noch was!“        

Genossenschaften wichtig für Transformation

Finanzminister Gerald Heere sieht die Volksbanken und Raiffeisenbanken als wichtigen Partner der niedersächsischen Politik. Auch das Institutssicherungssystem der Genossenschaftsbanken habe sich über viele Jahrzehnte bewährt, gehöre zu den Grundpfeilern des Deutschen Finanzsystems und dürfe durch die EU-Pläne nicht ins Wanken gebracht werden. Gerald Heere betonte darüber hinaus wie auch Staatssekretär Frank Doods, dass das Genossenschaftswesen wichtige Beiträge zur Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft leisten könne. Energiegenossenschaften seien wichtig für einen bürgernahen Ausbau regenerativer Energien, der genossenschaftliche Landhandel sei ein innovativer Partner der Landwirtschaft und nicht zuletzt schaffen Bau- und Wohnungsgenossenschaften bezahlbarem Wohnraum.    

„Unser Geschäftsmodell funktioniert“

Der AGVR-Vorstandsvorsitzender Frank Ostertag betonte, dass die 50 Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems gut und kapitalstark aufgestellt seien. Mit einer gesamten Bilanzsumme von mehr als 38 Milliarden Euro, einer überdurchschnittlich hohen Ertragskraft sowie einem starken genossenschaftlichen Finanzverbund habe man auch die jüngsten Herausforderungen mit Pandemie, wirtschaftlichen Verwerfungen infolge des Ukraine-Kriegs und den jüngst extrem schnell steigenden Zinsen bravourös gemeistert. „Unser Geschäftsmodell funktioniert“, sagte Ostertag. Auch die steigende Zahl von aktuell rund 560.000 Genossenschaftsmitgliedern in Weser-Ems zeige, dass die genossenschaftlichen Werte mehr denn je gefragt seien und die gesellschaftliche Gemeinschaft stärkten. Neben regulatorischen Auflagen seien vor allem die Digitalisierung und der Fachkräftemangel die größten Herausforderungen für die Genossenschaftsbanken.